Acinq verspricht mit dem Phoenix Wallet die schnellste und einfachste Bitcoin Wallet. Was Phoenix richtig und vielleicht auch falsch macht, haben wir uns genauer angeschaut. Das Wichtigste in Kürze:

- Kinderleichtes Onboarding von neuen Nutzern
- Reine Lightning Wallet
- Privatsphäre-Kompromisse
Im Zuge unseres umfangreichen Bitcoin Wallet-Vergleichs widmen wir jedem Wallet einen eigenen ausführlichen Test. Um einen fairen Vergleich zwischen allen Apps zu ziehen, gehen wir in den einzelnen Artikeln auf alle Einzelheiten ein und bewerten die Wallets unter den gleichen Gesichtspunkten.
Allgemeines
Das Lightning Wallet “Phoenix Wallet” wird von Acinq in Frankreich entwickelt und wurde Ende 2019 als Beta-Version veröffentlicht. Direkt zu Anfang war das Team sehr offen über die Design-Tradeoffs die sie eingehen mussten um solch ein Level an Nutzerfreundlichkeit zu erreichen. Das letzte Update 1.3.2 kam Ende Juli und brachte LN-Auth Support.
1. Benutzerfreundlichkeit
Inspiriert von The UX of Banking hat mich interessiert wie lange es von dauert bis ein Nutzer nach der Installation einer Wallet diese benutzen kann. Als benutzbar gilt ein Wallet dann, wenn BTC empfangen werden kann. Besonders für Leute die noch nie ein Bitcoin Wallet benutzt haben ist das Setup eine wichtige Hürde, die es zu überwinden gilt.
1. Klick auf “Create new wallet” 2. Klick auf “Receive” Bereit zu Empfangen über Lightning
(3. Klick auf “Show Bitcoin address”)Bereit zum Empfangen von Onchain – Bitcoin
Klicks bis zum Empfangen von BTC – 2 (3)
Phoenix Wallet onboarded User schneller als jedes andere non-custodial Wallet, das ich bisher ausprobieren konnte. Vom Download bis zum Empfangen der ersten Sats können weniger als 20s vergehen. Freunden bei einem Bier ein paar Sats schicken? Kein Problem, auch wenn sie die App noch nicht haben.

Um so schnell Onboarden zu können, überspringt Phoenix anfangs das langwierige Setup anderer Wallets. Der größte Teil der verfügbaren Wallets zwingen den Nutzer vor dem Empfangen von Bitcoin die Seed aufzuschreiben und zu bestätigen. Das führt dazu, dass die Seed zwar öfter aufgeschrieben wird, hält allerdings viele Leute davon ab, das Wallet überhaupt einmal richtig einzurichten. Wer will sich schon in einer Bar mit seinen Kumpels seine Seed auf ein Blatt Papier aufschreiben?
Stattdessen nimmt Phoenix den Nutzer in Eigenverantwortung indem dem User sofort nach Einrichtung eines neuen Wallets prominent gezeigt wird, dass er ein Wallet Backup machen sollte und einen PIN-Code verwenden sollte. Aufgrund der schnellen Verfügbarkeit der Hauptfunktionen bekommt die App einen unmittelbaren Nutzen für den Nutzer. Und das, ohne wirklichen Aufwand. Bis die Seed aufgeschrieben und bestätigt wurde wird die Warnung auf der Startseite angezeigt. Das selbstständige Aufschreiben der Seed ist dabei der erste Schritt in die selbstgewählte Eigenverantwortung von Bitcoin.
1. Klick Send 2. Klick QR Code scannen oder Adresse pasten 3. Klick Betrag eingeben
4. Klick PayGesendet On-Chain Transaktion
Klicks bis zum Senden von BTC – 4 (5)

Das Senden von Bitcoin funktioniert ähnlich reibungslos wie die Installation. Dabei braucht es wenig Input vom Nutzer, verbirgt allerdings auch, wie die meisten Lightning Wallets, die Optionen die Transaktionsgebühr zu bestimmen. Beim Senden an On-Chain Adressen wird der Nutzer darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine solche handelt und eine Miner-Gebühr fällig wird. Das wird dem Nutzer gut und verständlich erklärt ohne als Warnung wahrgenommen zu werden. Die Onchain-Transaktionsgebühr kann über “Edit fees” verändert werden, wird allerdings ohne Nutzerinput automatisch an den aktuellen Mempool angepasst.
Generell schafft Phoenix es, den Bezahlvorgang von On-Chain und Off-Chain Transaktionen so zu vereinfachen, dass sie sich nur minimal unterscheiden. Meiner Meinung nach ist das ein riesiger Schritt hin zu Lightning als Standart. Phoenix bietet dem Nutzer nicht die Wahl, ob er Bitcoin per Lightning oder On-Chain empfangen möchte. Jede Einzahlung auf die Wallet wird automatisch in Lightning Channels investiert.
Die Entscheidung im Wallet annähernd komplett auf die Ausdrücke “Lightning”, “Channel” und ähnliche, für Anfänger verwirrende, Begriffe zu verzichten macht die Verwendung des Lightning-Netzwerks so einfach wie Bitcoin selbst. Es benötigt keine Einleitung oder Erklärung was das Lightning-Netzwerk ist. Phoenix macht deutlich, was Lightning eigentlich ist: Bitcoin.
Bewertung: 9/10
2. Privatsphäre
Beim Thema Privatsphäre kommen wir zum ersten Kompromiss, den Phoenix eingehen muss. Um die Nutzererfahrung so weit zu simplifizieren, nimmt Phoenix/Acinq dem Nutzer einige Aufgaben ab. Wie zum Beispiel das Channel- und Node-Management. Phoenix benutzt “Trampoline Nodes” um die Payment Routing und Node Syncing auszulagern. Das ermöglicht die schnelle Verbindung und Bezahlung vom Handy ohne einen eigenen Full-Node auf dem Handy laufen zu lassen. Der Kompromiss besteht jedoch daraus, dass dieser Trampoline Node eure Transaktion einsehen muss um diese ordentlich zu routen.

Prinzipiell entsteht dieses Problem nur deshalb, weil Trampoline Nodes experimentell sind und Acinq zurzeit den einzigen dieser Art betreibt. Sollte es in Zukunft mehr Trampoline Nodes geben, wird eine Transaktion über mehrere dieser Nodes onion-geroutet und somit deutlich privater.

Nicht bei der Installation aktiviert, aber eine Option, ist das automatische Verbinden über TOR.
Nach dem Aktivieren in den Einstellungen.. kommt der Hinweis bestenfalls ein neues Wallet zu erstellen und.. Phoenix startet automatisch mit TOR.. und zeigt den Status im Startbildschirm links oben an.
Ganz klar muss man hier jedoch zwischen Custodial und non-Custodial unterscheiden. Obwohl Acinq Transaktionen einsehen kann, ist Phoenix non-custodial. Ihr haltet die Private-Keys zu eurem Wallet und Acinq kann eure Transaktionen nicht blockieren. Damit ist Phoenix meiner Meinung nach Privatsphäre-technisch eher mit einem Onchain-Wallet vergleichbar als mit anderen Lightning-Wallets. Dennoch hinterlasst ihr mit Phoenix wesentlich weniger On-Chain Fingerabdrücke.
Mit eurem eigenen Node könnt ihr Phoenix (derzeit) noch nicht nutzen. Features wie Coinselection, Coinjoin und PSBT für Onchain-Transaktionen gibt es nicht. Durch die Abhängigkeit vom Acinq Node und das Fehlen eines Onchain-Guthabens wäre der Nutzen dieser Funktionen jedoch sowieso zweifelhaft.
Bewertung: 6/10
3. Sicherheit

Die Sicherheits-Optionen von Phoenix sind auf dem Industrie-Standart: Fingerabdruck- und PIN-Authentifizierung. Einzig die Option “Scramble PIN keyboard” ist unüblig und empfehlenswert. Dabei wird das Tastenfeld bei PIN-Eingabe nicht normal, sondern in zufälliger Sortierung dargestellt. Nicht nur lässt sich dadurch von Fremden schwerer aus der Ferne die PIN-Eingabe erkennen, sondern ihr gewöhnt euch auch ab euer Muskelgedächtnis zu nutzen. Vielleicht ist es euch, wie mir, schon einmal passiert, dass ihr euren PIN vergessen habt. Oft ist dafür der Grund, dass man sich nicht mehr an den PIN selber, sondern an die Finger-Bewegung erinnert und diese leichter vergessen werden kann.
Die App ist open-source und kann selbst compiled werden.
Bewertung: 6/10
4. Lightning Support
Ich habe Lightning Support als eigenes Kriterium mit aufgenommen, da es für heutzutage wenig Gründe dafür gibt, als mobiles Wallet keine Lightning-Transaktionen zu akzeptieren. Mobile Wallets sollten keine Cold-Storages sein, sondern es ermöglichen Bitcoin schnell und sicher auszugeben.
Phoenix bezeichnet sich selber als ein Lightning Wallet der 2. Generation. Das zeigt die absolute Ausrichtung auf Lightning als neuen Bitcoin Standart. Tatsächlich schafft es Phoenix Bitcoin durch Lightning einfacher statt komplexer zu machen. Wie zuvor erwähnt werden die komplexen Aufgaben von Lightning vom Wallet gestemmt ohne das der User eingreifen muss.
Möchte man genauere Informationen zu seinen Channels sehen, sind diese unter Einstellungen zu finden. Richtiges Channel-Management ist jedoch nicht wirklich möglich, da man weder eigenständig Channels öffnen noch individuell schließen könnt. Es können nur alle Channels auf einmal geschlossen werden.

Andererseits läuft das automatische Management von Channels so gut, dass es für mich noch nicht nötig wurde Channel manuell zu öffnen oder zu schließen. Übersteigt eine Einzahlung die Inbound-Liquidity der Channels, bietet Phoenix dem Nutzer an, automatisch einen Channel für ihn zu erstellen. Dafür zahlt der Nutzer (aktuell) nur die Transaktionskosten einer Channelöffnungs-Transaktion:

Auch bei größeren Channels erhält der Nutzer die Summe sofort und kann sie direkt Off-Chain und On-Chain versenden. Wie genau das funktioniert und was Fake-Channel damit zutun haben findet ihr hier.
Wenn ich mich an die ersten Versionen von mobilen Lightning Wallets erinnere, ist der Begriff “2. Generation” hier wirklich gerechtfertigt. Bisher hatte ich weniger als 1% fehlgeschlagene Transaktionen, welche ausschließlich auf den Empfänger zurückzuführen waren. Mitte letzten Jahres war ich froh, wenn überhaupt eine Lightning-Transaktion durch kam.
Phoenix unterstützt Empfangen via LN-URL sowie LN-Auth.
Bewertung: 8/10
5. Verfügbarkeit
Phoenix ist aktuell nur auf Android verfügbar. Eine iOS-Version wurde bereits beim Launch angekündigt, lässt allerdings immer noch auf sich warten. Eine Desktop Version oder Browser-Erweiterung sind derzeit nicht geplant.
Im Google Playstore wurde Phoenix circa 5000 mal heruntergeladen.
Bewertung: 3/10
6. Kosten
Die Installation von Phoenix ist grundsätzlich kostenlos. Ihr bezahlt auch keine monatliche Gebühr. Meiner Einschätzung nach verdient Acinq hauptsächlich durch das Routing der Transaktionen, das Erstellen der Fake-Channels und die 0,1% Gebühr bei On-Chain Transaktionen. Effektiv entstehen dabei sehr geringe Kosten für den Nutzer. Ob sich dieses Model für Acinq in Zukunft bei höheren LN-Gebühren weiterhin rechnet, ist abzuwarten.

Kosten für eine 10.000sat Lightning Transaktion: 2sat (0,02%)
Kosten für einen on-the-fly Channel: 0,1%
Onchain zu Lightning: 0,1%
Lightning zu On-Chain: 0%
Bewertung: 8/10
Fazit

Acinq hat für Phoenix eine ganz klare Zielgruppe definiert: Neue Bitcoin-Nutzer. Ohne den Kompromiss einer custodial Wallet einzugehen, haben sie es geschafft nicht nur Lightning, sondern damit auch Bitcoin ein bedeutendes Stück zugänglicher zu machen. Wer Wert auf absolute Privatsphäre setzt wird sich vorerst wohl erst gedulden müssen, bis mehr Trampoline Nodes verfügbar sind oder Phoenix mit dem eigenen Node benutzt werden kann.
Alles in allem empfehle ich Phoenix klar weiter. Besonders für Leute die noch nie Bitcoin benutzt haben, Shitcoin Fanatiker und TPS-Fetischisten bietet dieses Wallet einen Ausblick in die wunderbare Zukunft für Bitcoin.